Jan-Ulrich Schmidt - JANUS
Mit einer One-Artist Show hätte die sight Galerie den Focus auf den Künstler Jan-Ulrich Schmidt gelegt.
Er ist 1976 in Darmstadt geboren, lebt und arbeitet jedoch mittlerweile in der Schweiz. Sein Werk umfasst Malerei, Fotografie, Video und Plastik.
Ihn treibt das Verlangen, hinter die bloße Erscheinung eines Kunstwerkes blicken zu wollen. Ihm geht es um die Farbe, vornehmlich um deren Anteil an der Beschaffenheit eines Gemäldes, an dessen Ausstrahlung, der Stimmung, die es vermittelt, und der Wirkung, die es auf den Betrachter hat. Er bedient sich der Gemälde anderer Künstler. Es sind meist gegenständlich-figurative Arbeiten, darunter Werke von Caravaggio, Caspar David Friedrich, Monet, Picasso oder Jawlensky. Darüber hinaus sind es auch häufig Originalwerke bekannter oder unbekannter Künstler aus privaten Sammlungen, deren Motive und Farben Schmidt zur Übersetzung in ein Farbstreifenbild inspiriert, bei dem sich der Künstler gänzlich von der Gegenständlichkeit löst. Den "Übersetzungen" liegt die jeweilige Analyse der Farben im Ausgangsbild zugrunde. Die herausgefilterten Farben werden von Hand aus den jeweiligen Pigmenten nachgemischt und mittels einer selbst entwickelten Schütttechnik auf die Leinwände gebracht. Diese Technik entspricht einer Version des DRIPPING, das einer amerikanischen Malereitradition entstammt. Hierbei läuft die Farbe die Leinwand hinunter und über ihren unteren Rand hinaus, wo sie deutliche Spuren der Konzentration und Verdickung hinterlässt. Es scheint, als sei die Farbe noch flüssig und wolle weiter aus dem Bild heraustropfen. Dadurch erzeugen die Farbstreifen, trotz aller Statik, die sie vermitteln, den Eindruck, als blieben sie in Bewegung, im Fluss.
Die Farben in seinen Werken entwickeln gemeinsam einen Klang und eine Stimmung. Deutlich wird der Wiedererkennungseffekt zum Ausgangswerk alleine über das verwendete Farbspektrum. Schmidt komponiert die aus dem Ausgangsmotiv extrahierten Farben neu auf der Leinwand. Es entstehen Streifenbilder, deren Größe exakt die Größe des jeweiligen Ausgangsmotivs aufgreift. Die beiden Werke stehen im ständigen Dialog miteinander.
In den neueren Arbeiten collagiert Schmidt auch runde Farbscheiben, die aus getrockneter Farbe hergestellt oder Produkte ausgestanzter Leinwandteile sind. Hier spiegelt sich der Dialog von Strukturhaftigkeit und Strukturlosigkeit, von Ordnung schaffen und Ordnung ignorieren deutlich wider. Wie auch in seinen Streifenbildern geht es um das Dekonstruieren des Bekannten und die Rekonstruktion des alten, jedoch nach neuen Mustern, Regeln und Ordnungen. Trotz ihrer geschichtlichen oder gerade wegen ihrer geschichtlichen Referenzialität nimmt Jan-Ulrich Schmidts Kunst eine autonome, zeitgenössische Position ein. Denn suchten Kunstschaffende wie Jackson Pollock noch nach dem Bruch mit der Historie, um etwas gänzlich Neues zu schaffen, so weiß Jan-Ulrich Schmidt um das Ende der großen Erzählungen und kann - post-postmodern sozusagen - die Kunstgeschichte als Bezugsrahmen nehmen. Die Werke lassen sich auf mehreren Ebenen lesen. Der Vergleich von Vorbild und eigener Interpretation ist reizvoll, da er den Blick auf das vermeintlich Bekannte schärft. Von Nahem betrachtet, überwältigen die Streifenbilder aufgrund der ungebrochenen Intensität der Farben und der Strenge ihrer Linien. Bisweilen werden aus den unterschiedlich hellen und dunklen Farbstreifen dreidimensionale Gebilde, die in der horizontalen Ausgerichtetheit der Bilder an Landschaften erinnern. Bei eindringlicher Betrachtung beginnen die Werke, in Schwingungen zu geraten und scheinen sich nach vorne oder nach hinten auszudehnen. Jan-Ulrich Schmidt kombiniert in seiner Kunst mechanische und handwerkliche Technik, Geist und Geschick, Auge und Verstand und übersetzt die gegenständliche Malerei in eine neue ungegenständliche und ausdrucksstarke Form.
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