Suscha Korte
„Mithilfe der Kunst kann der Mensch seine Beziehung zur Welt klären.“
(SUSCHA KORTE)
Menschen kommen in den eindringlichen Bildern von Suscha Korte nicht vor. Stattdessen porträtiert die Künstlerin das Menschsein mittels Alltagsgegenständen, die den Betrachter zum Dialog auffordern. Mit sich und der Welt. Und damit ein erstaunliches Eigenleben entwickeln. SALVE traf die Wahlkölnerin und Mutter von vier Kindern, die an den Kunsthochschulen Kiel und Glasgow graduierte, zum Gespräch und gewährt einen exklusiven Einblick in ihre faszinierenden Bildwelten…
Du bezeichnest Deine Bilder als menschenleere Porträts, in denen Beziehungsgeflechte anhand von Alltagsgegenständen wie Tellern sichtbar gemacht werden. Worum geht es Dir da genau?
Den Menschen zeichnet das starke Bedürfnis aus, gesehen und angenommen zu werden – so, wie er ist. Dieser archaische, zutiefst in uns verankerte Wunsch ist kulturübergreifend und beschäftigt mich immer wieder in meinen Arbeiten. An alltägliche Dinge sind oft Träume, Hoffnungen und Lebensvorstellungen geknüpft. Sie erzählen Geschichten, die uns einen Zugang zu einer Person und ihrer Welt ermöglichen. Durch die assoziative Interpretation des Betrachters eröffnen diese Gegenstände aber auch einen Dialog, der den Betrachter einlädt, sich dabei mit seinen eigenen Erinnerungen und Träumen auseinander zu setzen.
Deine Bild- und Motivwelten fungieren also als Projektionsfläche eigener Wünsche und Hoffnungen…?
Anhand der Kunst kann der Mensch seine Beziehung zur Welt klären. Ich beobachte auf Ausstellungen meiner Bilder immer wieder, dass nicht nur ein Dialog zwischen Bild und Betrachter entsteht, sondern sich Menschen bereits nach kurzer Zeit zusammenschließen und damit einen erweiterten Dialog starten. Dadurch entsteht eine soziale Nähe, eine Wärme, ein offener Austausch. Das ist das, was ich mir als Künstlerin wünsche: Dass meine Bilder beim Betrachter etwas auslösen. Dass sie Gespräche, Diskussionen, Standpunkte evozieren.
Die bereits erwähnten Teller sind dabei ein Schlüsselmotiv…
Ja, die habe ich am Anfang meiner Laufbahn fast manisch gemalt (lacht). Aber im Ernst: Ihre Präsenz hat tatsächlich mit dem frühen Tod meiner Mutter und anderer mir nahestehender Menschen zu tun. Da blieben, wie immer in solchen Fällen, Dinge zurück. Unter anderem auch Teller, die den Hausstand und mithin das vielleicht Persönlichste, Intimste im Leben eines Menschen repräsentieren. Diese zurückgelassenen Dinge lassen den Verbliebenen die Abwesenheit der geliebten Person schmerzlich spüren; sie symbolisieren die Träume, die der Verstorbene einst hatte. Und sind Teil seiner Energie, seiner Persönlichkeit, die irgendwie noch anwesend und greifbar zu sein scheint, obwohl die Person für immer gegangen ist. Manche dieser Dinge verkörpern sogar ein ungelebtes Leben, weil sie nie benutzt wurden. So wie bei meiner Großmutter, die ein alltägliches, und ein gutes Geschirr hatte. Das gute stand immer im Schrank, für den Fall, dass wirklich mal etwas Besonderes anstehen sollte. Es kam nie zum Einsatz – womit es stellvertretend für gescheiterte Hoffnungen und unerfüllte Träume steht. Das hat mich sehr berührt; und dem Teller so seinen Platz als zentrales Element meiner Bilderwelten eingeräumt.
Der einen regelrecht anzusehen scheint…
Exakt, der Teller, man spricht ja auch vom „Tellerspiegel“, wirft das Bild des Betrachters förmlich zurück und konfrontiert ihn mit seinen eigenen Erinnerungen und Vorstellungen von der Welt. Womit er ein Medium der Selbstreflexion darstellt.
Manche Deiner Bilder sind von einer geradezu meditativen Strenge, andere wiederum in ihrer Motiv- und Materialvielfalt fast überbordend. Ein Widerspruch?
Weniger ein Widerspruch, als vielmehr Ergebnis sowohl situativer Impulse als auch eines Gesamtkonzepts. Wenn ich eine Ausstellung plane, dann sehe ich genau vor mir, wo was hängen muss. Wo der Raum also reduzierter, und dann wieder komplexer bespielt werden muss. Ich stelle mir vor, dass der Betrachter durch ein Orchester geht, wo alles stimmig sein muss und einer inneren Logik folgt. Als Künstler ist man nicht nur Maler oder Bildhauer, sondern auch Komponist, Arrangeur und Dramaturg. Es geht nicht nur um das einzelne Werk, sondern immer um das große Ganze.
Auch Worte und Typografien werden in Deinen Bildern gezielt eingesetzt. Mal als Neoninstallationen, mal gestickt, mal gesprüht. Dabei wirken diese Typos manchmal erfrischend sinnbefreit, mitunter aber auch hochironisch.
Tatsächlich bergen sie eine tiefe Ironie und sind humorvoll angelegt. Gleichzeitig sollen sie aber auch Assoziationen wecken, zum Nachdenken anregen und Dinge hinterfragen. Humor ist in der Kultur- und Menschheitsgeschichte ja ein approbiertes Mittel, um Missstände zu benennen und den Finger in die Wunde zu legen. War es nicht Erich Kästner, der sagte: Humor ist eine viel zu ernste Sache, als dass man darüber lachen könnte. Mit gewissen Parolen oder Worten in einem konterkarierenden Kontext kann man oft mehr sagen, als mit ganzen Abhandlungen. Aber ich denke bei meinen Inhalten eher bildlich als sprachlich, von daher muss der Betrachter selbst entscheiden, was er in bzw. aus diesen Botschaften liest.
In der Wirtschaft wird die Frauenquote heiß diskutiert und lautstark eingefordert. Die Kunst scheint ebenfalls noch immer männerdominiert. Woran liegt das?
Das ist ein sehr komplexes Thema. Der höheren Zahl von Studentinnen und Absolventinnen an den Kunstakademien stehen diametral viel mehr männliche Künstler im Kunstmarkt und den Museen gegenüber. Vielleicht liegt es am vielzitierten Netzwerk, das Männer sich über Jahrzehnte, nein Jahrhunderte aufgebaut haben, während Frauen sich beim Beziehungen-Spinnen und Selbstpromoten eher zurückgehalten haben. Außerdem werden sie oftmals immer noch über die Jung-Sexy-Talentiert-Schiene kategorisiert, die dann aber ein rasches Verfallsdatum aufweist. So lange man jung ist, gilt für Frauen das Versprechen des „next hot thing“. Das verblasst dann relativ schnell, und die anfängliche Förderung und Fürsprache fällt weg.
Aber ich bin ganz zuversichtlich, denn auch hier findet gerade ein Umbruch statt. Die jungen Galeristinnen und Künstlerinnen drängen wesentlich selbstbewusster und emanzipierter auf den Markt.
Dein Vater war Kunstprofessor, Du und Deine Schwester Cora, Ihr seid Künstlerinnen geworden, und laut Deiner Aussage zeigen auch Deine Kinder künstlerische Begabung. Glaubst Du, dass sich kreatives Potenzial vererbt, oder ist es doch eher Ergebnis einer fortwährenden Konfrontation, ja einer Art Konditionierung während der Kindheit?
Schwierige Frage. Fakt ist, dass ich, seit ich denken kann, schon immer stundenlang gezeichnet und gemalt habe, nix war vor mir sicher. Eine Förderung in Kursen im Sinne der heute ambitionierten Elterngeneration fand nicht statt. Meine Eltern haben meinen inneren Drang mich künstlerisch auszudrücken insofern unterstützt, als dass sie mir große Freiheiten gelassen haben, und ich mit jedem noch so abwegigem Material, wie zum Beispiel Baustellenlehm, zu Hause arbeiten durfte. Meine Kinder sind zwar auch künstlerisch sehr begabt, aber sie verspüren im Moment noch nicht diesen inneren Drang, diese Notwendigkeit, sich auszudrücken, so wie ich es als Kind fühlte. Künstlerisches Talent liegt, so glaube ich, allen Menschen in den Genen; aber nicht jeder hat die Möglichkeit oder das dringende Bedürfnis es zu entfalten.
Suscha Korte lebt und arbeitet in Köln. Ihre Werke sind in zahlreichen Privatsammlungen in ganz Europa vertreten und wurden bereits mit einer Einzelausstellung im Museumsberg Flensburg bedacht.
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