Dirk Hupe
Über das Studium von Germanistik und Philosophie, schließlich des Kommunikationsdesigns gelangte Dirk Hupe (1960-2021) zu einer Malerei, die dem Zeichenhaft-Grafischen größte Bedeutung beimisst. Dabei bleibt die von Hupe gepflegte Grafie, selbst wenn es sich um die Typografie früherer Arbeiten handelt, stets ein bloß potenzieller Bedeutungsträger, festgehalten in der Schwebe und im Mangel an Kohärenz, an begrifflicher Treffsicherheit und Trennschärfe, dann in zunehmendem Maße an Leserlichkeit.
Tatsächlich weisen die Werke Dirk Hupes oftmals wörtliche Zitate und Textbruchstücke auf, einzelne – aus dem ursprünglichen Zusammenhang hinaus und ins Bildfeld hinein – entglittene Wörter, Wortbestandteile, bis hin zu solitär dastehenden Buchstaben. Dabei rekurrierte er nicht allein inhaltlich auf einen jeweils bestehenden Wortlaut, um ihn verfremdet wiedereinzusetzen: Auch die ins Malerische transponierte Typografie Hupescher Prägung geht auf ein Schrift-Vorbild zurück. Ausgehend von der Times als einem Klassiker unter den modernen Schriftarten entwickelte er eine unverkennbar eigene Version, die wiederum „typisch“ für Hupes Werke wird.
Diese gleichermaßen reorganisierte wie Abnutzungsspuren vorweisende Hupe-Typografie zeichnet sich insbesondere durch die Einpassung von Ober- und Unterlängen aus. Nun erscheinen die einzelnen Wörter als Blöcke, die einerseits an Vorratsbehälter, Truhen, Schachteln erinnern mögen, anderseits an unverrückbare architektonische Quader. Hinsichtlich des Elements hingegen, der Druckletter, werden sie ihrer gewohnten Linearität und Scharfkantigkeit beraubt: Der Schriftsetzer Hupe behandelt sie mit Nachdruck bildkünstlerisch und lässt sie über die Ränder gehen, wie im Zuge mehrfachen Fotokopierens ausfransen, bröckeln, sich zersetzen.
Überhaupt ist die Fragilität der vereinbarten Alphabets-Schriftzeichen als Medium von Kommunikation das durchgehaltene Thema im Schaffen Hupes, das von temporären Installationen und Text-Environments in und an Bauwerken über die vielen Arbeiten auf Leinwand hinweg auch Buch-Objekte umfasst, die sich stricte mit dem gebundenen Druckwerk als Schriftbehälter auseinandersetzen. Paradoxie dieser Arbeiten ist, dass sie sich, verleimt durch den Künstler, mit Draht bespannt und mit Farbmaterie versiegelt, vollends öffnen auf die externe Sinn- und Bedeutungszuweisung. Der Betrachterperson ist der Blick ins Buch verwehrt, mit der Folge, dass jede Lese-Probe vom Eindringen ins konservierte Buchinnere abgehalten wird und dazu angehalten, neu von vorn anzufangen, an den fünf oder sechs übermalten Außenseiten von Deckel und Schnitt. Das Buch nach Dirk Hupe ist Tumba und Inkunabel (lat. incunabula Wiege, Windeln, Ursprung) zugleich.
Eine ähnliche Praxis der Öffnung durch Unlesbarmachung findet schließlich in der Leinwandmalerei Hupes statt. Löschung, Streichung und Übermalung lassen hier aufgrund ihrer Anordnung in Zeilen, durchsetzt von Abständen, erkennen, dass dort ein schriftlicher Text seinen Platz gehabt hat, dessen unkenntlicher Inhalt jedoch den Betrachtenden vorenthalten und zugleich überlassen bleibt. Die malerisch-zeichnerische Geste ist zur überhandnehmenden Mitteilung geworden, die an die Stelle dessen tritt, was durch Lektüre im engeren Sinne noch hätte dechiffriert werden können. Der händisch eingebrachte bildlich-visuelle Bestand stellt einen Text sui generis dar, wobei der Rückschluss lautet: Schon ein Text in Worten geht niemals in Eindeutigkeit auf. Er besitzt neben dem Sinn seiner Sinnhaftigkeit immer schon eine Sinnlichkeit oder Intensität, er kennt ein Schweigen, hat seine dunklen Stellen, seinen blendenden Glanz und seine dauerhafte Undurchsichtigkeit.
Andererseits haben auch das quantitative Informations-Übermaß in einer durchmedialisierten Welt und die Vieldeutigkeit einer jeden Informations-Lage Hupes Auseinandersetzung herausgefordert. Die überlagernde Montage diverser Bildträger innerhalb eines Werkes, wenn etwa Transparentfolien einander und zuunterst die weiße Leinwand be-schirmen, zeugt davon. Aus der Addition der gestalteten Oberflächen ergibt sich ein rauschendes Ineinander von Liniaturen, Punktmustern und Farbfeldern, das optisch kaum mehr auseinanderzudividieren ist.
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