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02.12.2023

Would you still love me if I was a worm? | Iris Helena Hamers & Lucia Mattes | 02.12.23-05.01.24

Die Ausstellung „Would you still love me if I was a worm“ bringt mit Iris Helena Hamers und Lucia Mattes zwei Künstlerinnen zusammen, die sich mit Bildern und Ausdrucksformen des Internets befassen und diese in vielschichtige Arbeiten übersetzen. Ausgangspunkt beider Positionen ist hierbei häufig das digitale Objekt – ein Bild, ein Meme, ein Video, das in den Arbeiten zu einer neuen, zuweilen überraschenden Materialität findet.

So fertigt Lucia Mattes ihre Werke mit Filz und setzt der Schnelllebigkeit der Netzkultur auf diese Weise einen langwierigen handwerklichen Prozess gegenüber. In ihrer Arbeit „Would you still love me if...?“ (2023) spannt sie einen weiten zeitlichen Bogen und lässt verschiedene, maximal ungleiche Motive ineinander übergehen. Die Abbildung ist einem mittelalterlichen Kräuterbuch entnommen und zeigt einen sogenannten Draconcopedes, eine schlangenartige Kreatur mit weiblichem Kopf. Das weniger an mittelalterlichen zoologischen Darstellungen als vielmehr an der aktuellen Populär- und Alltagskultur geschulte Auge erkennt hierin jedoch stante pede Heidi Klum in ihrem Halloweenparty-Wurmkostüm von 2022. Sowohl die Heidi-Klum-Wurm-Fotos als auch ihre auf Instagram gestellte Frage „Would you still love me if I was a worm?“ wurden in zahlreichen Memes aufgegriffen und weiterentwickelt und sind Beispiele für das Eigenleben, das virtuelle Phänomene häufig rasend schnell entwickeln. In Mattes‘ Filzarbeit wird das zentrale Bild durch mehrere Textblöcke gerahmt, die zu einem Dialog einladen: „what are your thoughts on heidi klum?“

Die Arbeit „To Nihilisa Frank“ (2023) bezieht sich auf ein „Urgestein der Meme-Kultur“, wie Mattes es ausdrückt. Der Tumblr Nihilisa Frank kam 2015 auf und nahm die poppige Bildwelt des Lisa Frank Inc. Universums auf: quietschbunte Tierchen – Einhörner, Pandas, Delfine –, die in den 90er Jahren vor allem in US-amerikanischen Kinderzimmern zu finden waren. Nihilisa Frank versah diese mit nihilistischen Zitaten und ließ die zuckersüßen Kindheitserinnerungen zu Überbringern wenig froh stimmender Statements werden. Mattes greift die Genese dieser Bild-Text-Kombinationen auf, erweitert sie um eigene inhaltliche Ebenen und lädt auch hier dazu ein, das Werk weiterzudenken, indem das letzte Wort „cum“ durch eigene Pointen ersetzt werden kann.

Iris Helena Hamers künstlerische Praxis kreist um die Befragung des Mediums Malerei: In mehreren Werkgruppen forscht sie nach ihren Grenzen und Möglichkeiten und lässt komplexe, traumartige Bildwelten entstehen, die im subjektiven Erleben der Künstlerin verankert sind, sich jedoch für die Assoziationen der Betrachtenden öffnen. Auch hier begegnet uns der (Klum’sche) Wurm: In „Heidi“ (2022) schlängelt er sich kopflos über die gesamte Bildfläche, während im Hintergrund Zombie-Mädchen in Richtung der Betrachterin staksen. Während die Tiefe des Bildraums in der klassischen Malerei mit malerischen Mitteln erzeugt wird, sind in dieser Arbeit drei unterschiedlich bemalte Acrylglasscheiben hintereinander angebracht, die ein Vorne und Hinten entstehen lassen. Sie werden von großen Stahlklammern zusammen und gleichzeitig voneinander getrennt gehalten, und legen so die Konstruktion der Arbeit offen. Ähnlich wie Mattes bezieht sich auch Hamers in ihrer Arbeit auf Fragmente des populärkulturellen Wissens, das wir uns auf unseren Streifzügen durch das Internet aneignen. Wiederum ist die Betrachterin dazu eingeladen, die durch die Versatzstücke angedeutete Narration weiterzudenken und – wenn sie möchte – Heidi, den Wurm und die Zombie-Mädchen in einen eigenen Zusammenhang zu bringen.

In der Installation „My strange harvest will taste sweet again” (2023) setzt Hamers AI-generierte Motive in einen Dialog mit selbst erzeugten Darstellungen: Digitales Found Footage manipuliert sie in digitaler Malerei, eigene Bilder speist sie in AI-Programme ein, so dass sie zum Ausgangspunkt künstlich intelligenter Weiterentwicklung werden. Das Ergebnis macht eine Unterscheidung zwischen menschlich und maschinell erstelltem Bild unmöglich. Die so entstandenen Motive werden mit UV-Druck auf zugeschnittene Alu-Platten gedruckt und fügen sich schließlich im Raum zu ihrer finalen Komposition. Somit überführt Hamers die digitalen Werke in tatsächliche Objekte und ermöglicht uns eine neue, direktere, körperlichere Art der Interaktion mit ihnen. Sie lässt eine wilde Traumwelt entstehen, deren Oberflächen mal glitschig, mal samtig, mal metallig erscheinen. In ihr sucht die Betrachterin nach einem Zusammenhang, nach einer Narration, die die einzelnen Fragmente verbindet. Und die es, wie im „echten“ digitalen Leben, oft nicht gibt.

Text: Ferial Nadja Karrasch

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29.10.2023

GET IN SHAPE GET COLOR | Ulrich Okujeni | 28.10.-24.11.2023

Gratwanderungen mit Kontur

Ulrich Okujeni ist kein Maler, der einem starren Konzept folgt. Seine Bildideen kombiniert er mit spontanen Einfällen, die als Reaktion auf Zwischenzustände der Werke entstehen. Es ist ein stetiges Wechselspiel aus proaktiven und reagierenden Elementen, die seinen Schaffensalltag ausmachen. So kann der Ausstellungstitel als dezenter Hinweis auf den kraft- und ideenzehrenden Arbeitsprozess während des Malvorgangs verstanden werden. Malerei wird zur Bändigung von Material, das in die richtige Form und Farbe gebracht werden muss, um zu Kunst zu werden.
GET IN SHAPE GET COLOR könnte jedoch auch als Aufforderung allgemeiner Natur verstanden werden, als humorvoller Kommentar des Künstlers auf das omnipräsente Effizienz- und Individualisierungsstreben.

Drei grundlegende malerische Elemente sind für Okujenis Ansatz von zentraler Bedeutung: Linien, Flächen und Farben. Die Linien bilden dabei die Grundlage. Sie formen Bögen und kreisartige Bewegungen, zeugen von Dynamik und innerer Spannung. Ecken entstehen zumeist aus Schnittpunkten zweier Linien. Durch das „Folgen einer Linie ohne abrupte Richtungswechsel“ versucht der Künstler, „einen Fluß beim Sehen zu ermöglichen“.
Die Flächen formen sich durch die Linienverläufe, sie sind quasi das Folgeprodukt. Das Spektrum des Farbauftrags reicht von ganz dünn aufgetragenen Stellen, an denen die Leinwand durchschimmert bis zu pastosen, kraftvollen Passagen. Okujenis Herangehensweise beinhaltet Reminiszenzen an die New York School und die damit verbundenen Anfänge des abstrakten Expressionismus Anfang der 1940er Jahre. Die schwarzen Konturlinien, prägend für sein derzeitiges Schaffen, fanden damals rege Anwendung, unter anderem bei Arshile Gorky, Wilhelm de Kooning und etwas später Helen Frankenthaler. Auch in dem feinen Ausbalancieren abstrakter und gegenständlicher Elemente ist eine Verbindung zu Gorky und de Kooning auszumachen, die sich – jeweils auf ihre Weise – dem malerischen Kampf um das feine Gleichgewicht ebenfalls stellten.

Das Werk Pangea Ultima prägt mit seinen Abmessungen von 200 x 340 cm den Hauptraum der Ausstellung. Partiell scheinen Figuren aufzublitzen, die sich jedoch zumeist schnell wieder in den Wirrungen der Linienspiele verflüchtigen. Okujeni greift hier auf ein bewährtes Wechselspiel zurück: Während manche Bereiche narrative Anklänge beinhalten, in diesem Fall beispielsweise Assoziationen an Science-Fiction-Welten auslösen, sind andere Passagen explizit Ungegenständlich, ein Feuerwerk an Formen und Farben ohne erzählende Ebene. Pure Malerei.

Der Werktitel verweist auf den ehemaligen Urkontinent Pangea, eine zusammenhängende Landmasse, die alle jetzigen Kontinente umfasste. Metaphorisch handelt es sich dabei um einen Zustand der Erde, der die Umschreibung der Menschheit als Weltengemeinschaft von seiner abstrakten Ebene rückführt auf eine urzeitlichen Grundlage: Anfangs war alles eins.
Das Konzept einer Pangea ultima greift die Idee des Einheitskontinents auf und steht für die These, dass dieser Zustand in ferner Zukunft wiederkehren wird. Folglich ist die aktuelle Form, die Trennung der Kontinentalflächen ein nur vorübergehender Zustand – wenn jedoch von einer voraussichtlichen Dauer von 450 Millionen Jahren.
Die Werke des dem Ausstellungstitel gleichnamigen Zeichnungs-Ensembles GET IN SHAPE GET COLOR folgen allesamt einem ähnlichen formalen Aufbau, der von einer veränderten Einstellung zu erzählenden Bildelementen zeugt. Es ist eine Aufteilung in drei Raumebenen auszumachen, die den Eindruck einer räumlichen Perspektive verleihen: Im Vordergrund schälen sich Figuren aus dem Nebeneinander ungegenständlicher Flächen. Die Motive bleiben angedeutet, entziehen sich einer eindeutigen Zuordnung. Ein Schleier des Ungegenständlichen umhüllt sie. Der Bild-Mittelgrund ist geprägt von einem Farbverlauf aus Türkistönen, der Assoziationen an ein Gewässer erweckt. Den Hintergrund bilden dunkelgrüne Flächen, die in einen Farbverlauf sanfter Rottöne übergehen. Die Kombination der Formen und Farben weckt Erinnerungen an eine himmelumrandete Uferlandschaft. Im Gegensatz zu den Elementen im Bildvordergrund sind Wasser, Landschaft und Himmel eindeutiger zu identifizieren, trotz ihrer vergleichsweise reduzierten Umsetzungsweise sind sie weitaus gegenständlicher als das dichte Farb- und Formenkonzentrat im Bild-Vordergrund. Auf diese Weise kommt es zu einer Umkehrung der Wahrnehmung: Während der Bildvordergrund die Aufmerksamkeit auf sich zieht, bleibt er dennoch rätselhaft und unnahbar. Er sprudelt vor Formen und Farben und entzieht sich zugleich eindeutiger Lesbarkeit. Stattdessen ist es der flächiger gearbeitete Hintergrund, der konkrete Bilder aufkommen lässt und in der Betrachtung Halt und Orientierung bietet.

Malerei als Kampf um die richtige Mixtur von Formen und Farben, Dichte und Weite, Abstraktion und Gegenständlichkeit: Es ist ein Wandeln auf schmalem Grat, dem sich Okujeni hier stellt, denn zum Finden einer malerischen Ordnungsstruktur gehört für ihn stets der postwendende Ausbruch aus ihr. So ist es auch das Wechselspiel aus ungezügelten und gebändigten, zufälligen und geplanten Elementen, die diese Malerei so aufregend machen. Oder um es mit den Worten von Willem de Kooning zu sagen: "You have to keep on the very edge of something, all the time, or the picture dies."

Ulrich Okujeni (*1985) studierte von 2008 bis 2015 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe bei Silvia Bächli. Er lebt und arbeitet in Karlsruhe.

Text: Julian Denzler

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