Hans Christof Drexel
Hans Christof Drexel zählt mit seinen frühen Arbeiten zu den bedeutenden Vertretern der expressionistischen Avantgarde. 1886 in Königstein im Taunus geboren, studierte er zunächst Medizin und Architektur in München und publizierte bereits während dieser Zeit grafische Arbeiten in der renommierten Kunst- und Literaturzeitschrift Jugend. Dem Rat des Malers und Akademieprofessors Fritz von Uhde folgend, ging er 1906/07 nach Paris, wo er an der Freien Académie Julian Malerei studierte und in unmittelbaren Kontakt mit der internationalen Moderne kam.
Nach seiner Rückkehr ließ Drexel sich in Hagen nieder, gründete eine Familie und wurde von Karl Ernst Osthaus in den Folkwang-Kreis eingeführt. In diesem inspirierenden Umfeld – mit Persönlichkeiten wie Henry van de Velde, Emil Nolde, J.L. Matthieu Lauwericks und Jan Thorn Prikker – entwickelte er seine charakteristische expressive Handschrift. 1911 besuchte er im Auftrag von Osthaus Henri Matisse in Paris; ein Aufenthalt an der Académie Matisse folgte.
Der Erste Weltkrieg unterbrach seine künstlerische Laufbahn. In Verdun schwer verwundet, hielt Drexel seine Fronterfahrungen in eindringlichen „Skizzen aus dem Felde“ fest. Nach Kriegsende kehrte er 1919 nach Hagen zurück, schloss sich der Novembergruppe und der Künstlervereinigung „Das Junge Rheinland“ an und begegnete erneut Matisse, Kandinsky sowie dem Münchner Verleger Reinhard Piper. Mit Christian Rohlfs verband ihn fortan eine enge Freundschaft. Zwischen 1919 und 1923 lehrte Drexel an der Folkwangschule.
1923 übersiedelte Drexel nach Berlin. Dort entstand eine wichtige Ateliergemeinschaft mit Paul Klee und Lyonel Feininger. Der progressive Kunsthändler Alfred Flechtheim nahm ihn unter Vertrag. Zahlreiche Ausstellungen – unter anderem im Folkwang Museum (erste Einzelausstellung 1912), gemeinsam mit Emil Nolde (1917) sowie später bei Nierendorf, Cassirer und Flechtheim – festigten seinen Ruf und ermöglichten kommerzielle Erfolge. 1926 entwickelte Drexel sein Konzept des „Chorischen Zeichnens“, ein gemeinschaftlich-schöpferisches Verfahren mit kunstpädagogischem und psychotherapeutischem Anspruch, das später breite Resonanz fand und auch zu einer längerfristigen Verbindung mit C. G. Jung führte.
1930 kam es in Oslo zur für Drexel wegweisenden Begegnung mit Edvard Munch. In den folgenden Jahren trafen sich beide mehrmals, 1932 stellten sie gemeinsam in Oslo aus. Im selben Jahr erhielt Drexel den hoch angesehenen Villa-Romana-Preis, eine Auszeichnung, die er nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wieder verlor. 1937 wurde ihm ein Ausstellungsverbot erteilt; Drexel galt fortan als „entartet“.
Während der NS-Zeit lebte er vom Broterwerb als Farbgestalter und Pädagoge des „Chorischen Zeichnens“. Reisen nach Norwegen, Schweden und Finnland begleiteten seine Arbeit. 1944 zerstörte ein Bombentreffer sein Berliner Atelier – der Großteil seines Frühwerks ging verloren. Nach der Flucht nach Hindelang entstanden zahlreiche Porträts der dortigen Bevölkerung. 1946 ließ er sich in München nieder, wo erste Lithografien entstanden und er an pädagogischen Akademien unterrichtete. In dieser Phase entwickelte sich seine langjährige Freundschaft mit dem Philosophen und Künstler Hugo Kükelhaus.
1962 führte ihn eine mehrmonatige Reise nach Ecuador zu einer neuen Bildsprache, geprägt von Eindrücken indigener Kultur. Der Bayerische Rundfunk produzierte 1963 einen Fernsehfilm über das Chorische Zeichnen.
Mit Beginn der 1970er Jahre wandte sich Drexel endgültig von der Landschaftsmalerei ab und konzentrierte sich auf physiognomische Studien, die er „Formen des Menschseins“ nannte, ein Spätwerk intensiver psychologischer Durchdringung. 1973 entstand der Film Maske und Gesicht, der diese Phase dokumentiert. Hans Christof Drexel starb am 3. Mai 1979 in München. Sein Werk, durch Krieg und Verfemung in weiten Teilen zerstört oder verschollen, wird seit 2014 vom Nachlass Hans Christof Drexel wissenschaftlich aufgearbeitet und rückt heute neu in den Fokus der Kunstgeschichte.
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